Lieber Johannes,
vielen Dank für die Einladung in euren Blog! Gerne werde ich versuchen, etwas zum Thema Postironie beizutragen.
Da ich von der sprachwissenschaftlichen Seite herkomme, erscheint es mir nützlich, einmal eine kleine Exploration der Begriffe zu versuchen. Es erleichtert die Diskussion ungemein, wenn man selber und der andere zumindest so ungefähr weiss, was man meint, wenn man ein Wort benutzt.
Es beugt Missverständnissen und Schwammigkeiten vor.
Was ist Ironie?
Das ist eigentlich simpel:
Ironie ist ein rhetorisches Stilmittel, bei dem man das Gegenteil von dem sagt, was man meint. Bei diesem Verfahren der uneigentlichen Rede wird die eigentliche Aussage erst im Kopf des Empfängers rekonstruiert. Und – das unterscheidet die Ironie von der Lüge, die den Hörer täuschen soll – es ist die Intention des Sprechers, dass die Aussage vom Rezipienten auch als ironisch erkannt werden soll.
Erkannt werden durch bestimmte Ironiesignale: Betonung, Mimik, Anführungszeichen oder Emoticons. Ein inhaltliches Ironiesignal wäre ein offensichtlicher Widerspruch zu der erwartbaren Aussage oder die offenkundige Unsinnigkeit der Aussage, wenn wörtlich genommen.
(Um die Ironie (als Stilmittel) vom Sarkasmus (als Redeweise) und Zynismus (als Geisteshaltung) zu unterscheiden, ist bereits ein Blick auf Wikipedia hilfreich.)
Warum ist Ironie eigentlich lustig?
Das scheint so zu funktionieren, dass wir im Gehirn eine Instanz haben, die eine Plausibilitätsprüfung des Wahrgenommenen durchführt. Also einen Abgleich des Erwartbaren und des tatsächlich Wahrgenommenen. Oft schon in Antizipation, beispielsweise während wir einen Witz erzählen hören. Tritt nun nicht das Erwartete ein sondern eine Brechung dieser Erwartung, die eine absurde Vorstellung evoziert, löst diese „Fehlermeldung“, bzw. die Überwindung dieser Diskrepanz durch Erkennen der Ironie einen Lachreiz aus. Aber das gehört eigentlich schon zum Arbeitsgebiet der Hirnforscher.
In welchen Situationen und zu welchen Zwecken wird Ironie verwendet?
Ironie ist beileibe keine Erfindung der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts.
Historisch hatte die Satire schon immer die Lizenz, die Mächtigen und Eitlen zu kritisieren und mit der Narrenkappe der Ironie auf dem Kopf das zu sagen, womit man diesen ansonsten ernsthaft riskiert hätte. Und mehr Spass als eine trockene Moralpredigt macht es allemal. Ironie kann ein wunderbares Mittel sein, um aufgeblasene Luftballons anzupieksen und Popanzen zu entlarven und der Lächerlichkeit preiszugeben, die ihnen gebührt. (Was die subversiven Funktionen der Ironie angeht, sind Com&Com ja Experten. 🙂 )
Aber Ironie taugt aber nicht nur als Waffe.
Selbstironie ermöglicht eine Distanzierung, eine Relativierung der eigenen Position, letztlich Toleranz. Indem man Ambiguität zulässt und es vermeidet, sich selbst eindeutig zu positionieren und in Konfrontationsstellung zu gehen, lässt man seinem Gegenüber, das vielleicht ganz anderer Meinung ist als man selber, Raum. (Ist das ein Vorurteil, dass diese Form der höflichen Ironie in der Schweiz verbreiteter ist als in Deutschland oder ist das tatsächlich ein spürbarer Kulturunterschied?) Auch für den Sprecher kann die Ambivalenz der Ironie eine Schutzschild-Funktion erfüllen – nicht in allen Situationen ist es ratsam, das Herz auf der Zunge zu tragen. Ironie kann Peinlichkeiten mildern, Missgeschicke und unangenehme Situationen entschärfen, helfen, tragische Situationen, die wir nicht ändern können zu ertragen (Galgenhumor).
Diese ausgesprochen unvollständige Liste mag zeigen: Es gibt durchaus gute Gründe dafür, Ironie zu verwenden.