Projekt 10^100

Im Rahmen des von Google initiierten Projekts 10^100 konnten im letzten Jahr Nutzer auf der ganzen Welt Ideen einreichen, mit denen so vielen Menschen wie möglich geholfen werden können. Es sind mehr als 154.000 Beiträge eingegangen.
Nun kannst du dir eine Vorauswahl der Ideen ansehen und deine Stimme derjenigen Idee geben, die deiner Meinung nach den meisten Menschen helfen könnte. Anhand der Ergebnisse dieser Abstimmung wählt ein Google-Beirat die besten Ideen aus. Google wird bis zu fünf Projekte mit einem Budget von insgesamt 10 Millionen US-Dollar in die Tat umsetzen.
Hier kann noch bis zum 8. Oktober 2009 abgestimmt werden.


Zentrum für politische Schönheit

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„Wenn man das Wort ,Schönheit‘ gegen das Wort ,Politik‘ schlägt, erzeugt man den Funken für eine Revolution“. (Zitat von der Website des ZPS)

Das Zentrum für Politische Schönheit ist ein politikberatender Thinktank des Aktionskünstlers und Menschenrechtlers Philipp Ruch, der Bewusstsein schafft für zehn weltpolitische Probleme, die von der deutschen Öffentlichkeit weitgehend ignoriert werden. Das Zentrum für Politische Schönheit zählt derzeit 97 Mitglieder.

Der Thinktank plant politische Unternehmungen, die der Nachwelt als Akte strahlender Schönheit, als Wohltaten der Menschheit erscheinen müssen. Er versucht, eine „Epoche der politischen Schönheit“ durchzusetzen und betreibt zur Zeit Interventionen gegen das „Ende der Geschichte“ im Westen (womit sämtliche Formen politischer Handlungslethargie gemeint sind). Die Arbeiten fokussieren auf die menschlichen Antriebe im reichsten und mächtigsten Land der Europäischen Union. Der Thinktank ist eine Ideen-, Gefühls- und Handlungsschmiede für Menschen, die anstreben, etwas Schönes und Großes zu tun.

Die Truppe war jüngst mehrfach in den Medien, u.a. wegen Strafanzeige für das Aufsagen eines Gedichtes oder Versteigern von Merkel auf Ebay. Die nächste Aktion „Das Forum der verlorenen Hoffnung“, findet am 10.9.09, 20h vor dem Kanzleramt Berlin statt.

Goodbye Tristesse

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„Wann werden wir endlich aufhören, uns dafür entschuldigen, romantisch zu sein? Warum nicht gleich? Hier und jetzt? Auf der Stelle. Wir bevölkern die Wüste mit singenden Bäumen und widerspenstigen Amseln. Wir lassen das zynische Lachen hinter uns und zögern nicht länger, naiv zu sein. Das Klischee ist kein Kitsch, es ist einfach schön. Also was meint ihr?
Bittere Zeiten lassen isch nicht mit einem Handschlag beenden. Der Zynismus ist eine zu mächtige Bastion, bewacht von Tausenden Armeen. Es braucht mehr als gute Worte. Einen Aufstand! Einen Orkan! Einen wahninnigen Lärm, der das Bewusstsein erschüttert. Und dennoch … Ich bezweifle, dass das allein riechen wird.“ aus: Camille de Toledo: Goodbye Tristesse (2005, S. 5; Orig-Titel: Archimondain Jolipunk, 2002)

Mit grad mal 26 Jährchen schrieb der Spross einer französischen Grossindustriellenfamilie (Danone etc) eine zornige Antwort auf „Generation Golf“, leidenschaftlicher und politischer. Goodbye Tristesse ist ein Gesellschaftsportrait und ein fiebriges  Pamphlet über da Leben in den Zeiten der Globalisierung, die jede Form der Rebellion zu einem Teil des Marktes hat werden lassen. – Wie kann es sein, daß uns heute der Kauf eines neuen Billy-Regals mehr beschäftigt als die richtige Lebenseinstellung? Diese Frage stellt Camille de Toledo angesichts der allgemein vorherrschenden gesellschaftlichen Gleichgültigkeit. Für ihn kann einzig der Abschied vom Zynismus, hin zu einer neuen Form politischer Unschuld, die das Wagnis eines aufrichtigen Widerstands gegen die Zwänge des Kapitalismus eingeht. Dabei verknüpft er klug die verschiedensten Ansätze der letzten Jahre von Francis Fukuyama über Jean-Luc Godard bis Naomi Klein.

Goodbye Tristesse ist eine Analyse einer Generation, die zwischen Mauerfall und Einsturz der Zwillingstürme aufgewachsen ist,  fordert einen neuen Mut politischen Handelns, eine «Romantik der offenen Augen«. Das Buch ist sowohl Kritik der Jahre, in denen Toledo erwachsen wurde – als auch Pamphlet für eine neue Geisteshaltung. Camille litt in den neunziger Jahren daran, dass er keinen Weg mehr sah zur Revolte. Weil alle um ihn beschlossen zu haben schienen, Zyniker zu sein. Er litt daran, weil sich das Kapital alles angeeignet hatte, auch die Kritik am Kapital, denn bunt und multikulturell kam dieser Kapitalismus daher, machte aus Che Guevara oder Marx Bildchen auf Kaffeetassen, aus jedem kämpferischen Slogan auf einer Hauswand einen Werbespruch für Nike. Camille de Toledo wünscht sich, dass man sich wieder traut, den Kapitalismus zu kritisieren. Er wünscht sich eine »semantische Guerilla«, die sich der Romantik und Poetik als Mittel des Protestes bedient. Wie sich dieser Protest formieren sollte, darüber hat er eher vage Vorstellungen: Er sympathisiert mit der Idee der Temporären Autonomen Zone – einer Idee des amerikanischen Anarchisten Hakim Bey –, wonach die gesellschaftlichen Regeln nur zeitlich und örtlich begrenzt außer Kraft gesetzt werden sollten. Camille de Toledos Buch ist keine Anleitung zur Revolution, kein politisches Manifest, sondern ein Bündel von Ideen.

Jenseits der Ironie (von Wolfram Weimer)

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Jenseits der Ironie (first pubished in Cicero – Magazin für politische Kultur)

Das ironische Zeitalter geht zu Ende. Zwanzig Jahre hat es gedauert und jene Nische der Weltgeschichte ausgefüllt, die sich mit dem Fall der Mauer 1989 auftat und mit der Weltwirtschaftskrise 2009 wieder geschlossen hat. In dieser Nische bekam unsere Gesellschaft die Kontur einer TV-Dschungelshow – ihre Grundmetapher war das Spiel. In dieser Nische begegneten uns Gestalten wie Dieter Bohlen und die Simpsons. Man musste permanent „Jetzt mal im Ernst“ sagen, die Jugend wählte „echt“ und „cool“ zu Signaturvokabeln, weil alles unecht und lau geworden war. Selbst die Politik verstieg sich in Sprach- und Sachironie von „Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetzen“.

Die Optimisten zogen im gut gelaunten Globalisierungs-Get-Together dieser Nische Haltungen wie Krawatten aus und schalteten (Kommunikation ersetzte schließlich Kontingenz) Handys wie Laptops ein. Die Weltwirtschaft schien ein spielerisches Monopoly. Schopenhauers „Welt als Wille und Vorstellung“ war da. Das Fiktive und das Reale vertauschten sich, so dass vor lauter Vorstellung gar kein Wille mehr wirkte. Es war sogar egal. Hauptsache, die Stimmung blieb gut und Deutschland hatte einen Superstar.

Für Pessimisten war schon die schwindende biologische Kraft ein Indiz des Zerfalls. Die Europäer wollten sich einfach nicht mehr fortpflanzen. Man hatte keine Erben und keine Hinterlassenschaft, von Mission ganz zu schweigen. Denn der Schlüssel zu sich selbst schien versunken in einem Meer der Opportunitäten. Europa mutierte zum Disneyland seiner selbst. Die Ironie war bei alledem kein Trost der Ohnmächtigen, wie Herbert Marcuse einst wähnte. Sie wurde zum Schlüssel zur Selbstentmachtung. Das ironische Zeitalter sagte zu allem Ja und Amen – falls man noch wusste, was Amen hieß. Denn die Religion war erkaltet, die Kultur räusperte sich nur noch kühl, kommerziell und krächzend, und selbst die Politik spielte bloß ein Scrabble des Machbaren.

Dass die ironische Welt nun durch ein unwirkliches Spekulationsspiel mit Nullzinsgeldern an ihr Ende gekommen ist, wirkt wie ein ultimativer Witz. Subprime-Kredite lesen sich wie die letzten Visitenkarten einer gescheiterten Ironie.

Nun aber wird es buchstäblich ernst. Schon nach dem 11. September 2001 ahnte man, dass es viele gibt, die unser ironisches Spiel partout nicht mitspielen wollten. Die Finanzkrise ist der zweite Schlag der Ernsthaftigkeit. Denn jetzt hat es der ironische Westen nicht nur zu tun mit dem religiösen Furor der islamischen Welt, sondern auch dem Ehrgeiz aller anderen Aufsteiger. Ihre Kultur des Nominalismus steht unserer Ironie schroff entgegen. Und wir müssen uns entscheiden. Denn das Angebot der neuen Zeit ist bereits da: Es heißt Oligarchismus.

Der neue Oligarchismus kommt in vielen Gewändern daher, und er wird uns nicht nur ökonomisch herausfordern, sondern auch weltanschaulich. Ob es sich um eine parteiliche Oligarchie (China), eine geheimdienstliche Oligarchie (Russland) oder eine Clan-Oligarchie (Arabien) handelt, die Muster sind ähnlich. Immer entscheiden kleine, halbstaatliche Zirkel über die großen Machtinstrumente der Gesellschaft.

Unsere Überzeugung, dass Demokratie und Marktwirtschaft Zwillinge seien, dass offene Gesellschaften den Zwangsgesellschaften überlegen seien, ist erschüttert. Seit Jahren warten wir auf den Kollaps Chinas, auf den demokratischen Aufbruch der russischen Mittelschicht, auf die Revolutionen in Arabien. Doch nichts geschieht. Stattdessen zerfällt Amerikas Macht. Allen drei Varianten des Oligarchismus gelingt es hingegen, wirtschaftlichen Erfolg mit autoritärer Politik zu verbinden und damit eine Legitimation zu schaffen, die sich vom ironischen Westen durch Stabilität unterscheidet. Der Instrumentenkasten des neuen Oligarchismus ist stets staatskapitalistischer Natur. Und den kopieren wir im Westen bereits.

Der nächste Gezeitenwechsel vollzieht sich daher nicht nach europäischen Links-Rechts-Mustern, sondern nach einem globalen Systemwettbewerb autoritärer und liberaler Gesellschaftsordnungen. Die derzeitige Neigung in Europa, in der Krise die Rückverstaatlichung zu suchen, birgt eine große Gefahr. Denn damit geht Europa freiwillig einen Schritt in den Staatsfondsoligarchismus. Konzentrierte Macht in den Staatshänden Weniger wird nur mit Demokratieverlusten einhergehen können.

Das demokratische Europa aber ist gerade dadurch entstanden, dass es die Macht so weit wie möglich geteilt und in die Hände der Bürger gelegt hat. Systematische Verstaatlichungen würden die Umkehrung dieses Prozesses bedeuten, denn damit würden Gewalten konzentriert und eben nicht mehr geteilt. Statt der freien Gesellschaften entstünden oligarchische, halbstaatliche Cliquen- und Parteiennetzwerke.

Kurzum: Der ironisch gebrochene Westen ist nicht nur wirtschaftlich angeschlagen. Sein Traditionsspeicher leckt, aber so schwach, dass er nun oligarchischen Verlockungen verfällt, ist er hoffentlich noch nicht. Im Ernst nicht.

Wolfram Weimer