Ironie und Virtualität

Kann man eigentlich sagen, dass Ironie irgendwie virtuell ist? – In dem Sinne, dass der Ironiker die Dinge nicht so ganz nah an sich heranlässt und immer einen virtuellen Abstand zur Welt hält? Quasi aus einer zweiten, anderen Welt heraus auf die Dinge der ersten blickt?
Prä-ironische Haltungen wären demgegenüber einem naiven Realismus zuzuordnen: Der Prä-Ironiker ist inmitten der Welt und der Dinge und denkt sich nichts dabei.
Auch der Post-Ironiker steht (wieder) mit beiden Füßen auf dem Boden, mitten im Realen (aber in einem anderen Realen), und sieht sich wieder im Sumpf des Irdischen (mit Betonung auf „wieder“). Er weiß vom Virtuellen, von der Distanz, der Ironie, dem Abstand zwischen dem Sein und dem Schein und kreiert daraus ein neues Sein (hinter dem Schein): Postironie als Realismus 2. Ordnung?

Jenseits der Ironie (von Wolfram Weimer)

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Jenseits der Ironie (first pubished in Cicero – Magazin für politische Kultur)

Das ironische Zeitalter geht zu Ende. Zwanzig Jahre hat es gedauert und jene Nische der Weltgeschichte ausgefüllt, die sich mit dem Fall der Mauer 1989 auftat und mit der Weltwirtschaftskrise 2009 wieder geschlossen hat. In dieser Nische bekam unsere Gesellschaft die Kontur einer TV-Dschungelshow – ihre Grundmetapher war das Spiel. In dieser Nische begegneten uns Gestalten wie Dieter Bohlen und die Simpsons. Man musste permanent „Jetzt mal im Ernst“ sagen, die Jugend wählte „echt“ und „cool“ zu Signaturvokabeln, weil alles unecht und lau geworden war. Selbst die Politik verstieg sich in Sprach- und Sachironie von „Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetzen“.

Die Optimisten zogen im gut gelaunten Globalisierungs-Get-Together dieser Nische Haltungen wie Krawatten aus und schalteten (Kommunikation ersetzte schließlich Kontingenz) Handys wie Laptops ein. Die Weltwirtschaft schien ein spielerisches Monopoly. Schopenhauers „Welt als Wille und Vorstellung“ war da. Das Fiktive und das Reale vertauschten sich, so dass vor lauter Vorstellung gar kein Wille mehr wirkte. Es war sogar egal. Hauptsache, die Stimmung blieb gut und Deutschland hatte einen Superstar.

Für Pessimisten war schon die schwindende biologische Kraft ein Indiz des Zerfalls. Die Europäer wollten sich einfach nicht mehr fortpflanzen. Man hatte keine Erben und keine Hinterlassenschaft, von Mission ganz zu schweigen. Denn der Schlüssel zu sich selbst schien versunken in einem Meer der Opportunitäten. Europa mutierte zum Disneyland seiner selbst. Die Ironie war bei alledem kein Trost der Ohnmächtigen, wie Herbert Marcuse einst wähnte. Sie wurde zum Schlüssel zur Selbstentmachtung. Das ironische Zeitalter sagte zu allem Ja und Amen – falls man noch wusste, was Amen hieß. Denn die Religion war erkaltet, die Kultur räusperte sich nur noch kühl, kommerziell und krächzend, und selbst die Politik spielte bloß ein Scrabble des Machbaren.

Dass die ironische Welt nun durch ein unwirkliches Spekulationsspiel mit Nullzinsgeldern an ihr Ende gekommen ist, wirkt wie ein ultimativer Witz. Subprime-Kredite lesen sich wie die letzten Visitenkarten einer gescheiterten Ironie.

Nun aber wird es buchstäblich ernst. Schon nach dem 11. September 2001 ahnte man, dass es viele gibt, die unser ironisches Spiel partout nicht mitspielen wollten. Die Finanzkrise ist der zweite Schlag der Ernsthaftigkeit. Denn jetzt hat es der ironische Westen nicht nur zu tun mit dem religiösen Furor der islamischen Welt, sondern auch dem Ehrgeiz aller anderen Aufsteiger. Ihre Kultur des Nominalismus steht unserer Ironie schroff entgegen. Und wir müssen uns entscheiden. Denn das Angebot der neuen Zeit ist bereits da: Es heißt Oligarchismus.

Der neue Oligarchismus kommt in vielen Gewändern daher, und er wird uns nicht nur ökonomisch herausfordern, sondern auch weltanschaulich. Ob es sich um eine parteiliche Oligarchie (China), eine geheimdienstliche Oligarchie (Russland) oder eine Clan-Oligarchie (Arabien) handelt, die Muster sind ähnlich. Immer entscheiden kleine, halbstaatliche Zirkel über die großen Machtinstrumente der Gesellschaft.

Unsere Überzeugung, dass Demokratie und Marktwirtschaft Zwillinge seien, dass offene Gesellschaften den Zwangsgesellschaften überlegen seien, ist erschüttert. Seit Jahren warten wir auf den Kollaps Chinas, auf den demokratischen Aufbruch der russischen Mittelschicht, auf die Revolutionen in Arabien. Doch nichts geschieht. Stattdessen zerfällt Amerikas Macht. Allen drei Varianten des Oligarchismus gelingt es hingegen, wirtschaftlichen Erfolg mit autoritärer Politik zu verbinden und damit eine Legitimation zu schaffen, die sich vom ironischen Westen durch Stabilität unterscheidet. Der Instrumentenkasten des neuen Oligarchismus ist stets staatskapitalistischer Natur. Und den kopieren wir im Westen bereits.

Der nächste Gezeitenwechsel vollzieht sich daher nicht nach europäischen Links-Rechts-Mustern, sondern nach einem globalen Systemwettbewerb autoritärer und liberaler Gesellschaftsordnungen. Die derzeitige Neigung in Europa, in der Krise die Rückverstaatlichung zu suchen, birgt eine große Gefahr. Denn damit geht Europa freiwillig einen Schritt in den Staatsfondsoligarchismus. Konzentrierte Macht in den Staatshänden Weniger wird nur mit Demokratieverlusten einhergehen können.

Das demokratische Europa aber ist gerade dadurch entstanden, dass es die Macht so weit wie möglich geteilt und in die Hände der Bürger gelegt hat. Systematische Verstaatlichungen würden die Umkehrung dieses Prozesses bedeuten, denn damit würden Gewalten konzentriert und eben nicht mehr geteilt. Statt der freien Gesellschaften entstünden oligarchische, halbstaatliche Cliquen- und Parteiennetzwerke.

Kurzum: Der ironisch gebrochene Westen ist nicht nur wirtschaftlich angeschlagen. Sein Traditionsspeicher leckt, aber so schwach, dass er nun oligarchischen Verlockungen verfällt, ist er hoffentlich noch nicht. Im Ernst nicht.

Wolfram Weimer

feedback from Yale

Johannes & Marcus,

I came across postirony.com after a long discussion with a high school friend on the topic this evening at a bar over some $2 pitchers of cheap American beer in suburban Missouri, USA. We realized that evening that not only were we making fun of the low-quality beer we were drinking, we were also remarking on our actual enjoyment of it. Furthermore, the act of lashing these two ideas together in our minds proved to be almost no burden at all, yet the realization of this fact seemed quite culturally wondrous.

Upon returning home, I decided to type in the URL ‚postirony.com‘ just to see if anything came up. Startlingly (yet possibly appropriately) enough, something did. I read the ten points, agreed with them almost completely, and wanted to respond:

Let us begin with the newfound resurgence of 80’s pop music in middle-class 20-something America: Do we enjoy 80’s music purely as an ironic conceit, dancing to the beats because they are so gaudy and kitschy and terrible? Or do we enjoy it because it’s actually quite catchy and was popular for legitimate reasons? I say BOTH. This is the essence of post-irony — enjoyment of things both ironically AND legitimately. Our bleeding-edge contemporary world just wouldn’t be the same without the two lashed together in post-ironic bliss.

A further example: This <http://stuffwhitepeoplelike.com/>  is post-ironic, but this <http://www.fatamerican.tv/t-shirt-page/biodiesel.htm>  is not. Yet Fat American designed a t-shirt for SWPL. Is post-irony not yet fully understood?

Post-ironic allows for and necessitates both ironic and legitimate enjoyment of things. It is what makes guilty pleasures not that guilty, it is what allows us to laugh when directly comment on an awkward situation we are in then and there, it is what catalyzes the new trend of 80’s pop music enjoyment.

Last year I purchased a humorous winter hat for my girlfriend. The hat was a wool stocking cap, with a very large poof-ball of yarn adorning the top. It made for a hilarious sight, and I was quite amused at seeing my girlfriend knowingly wear such a definitively silly hat.

Not only was I able to enjoy this silly sight ironically (knowing that the hat was indeed ridiculous-looking), but I also realized that I actually found my girlfriend more attractive when she was wearing it: I found both ironic and legitimate enjoyment in her wearing this hat. It amused me sarcastically and honestly at the same time. Ultimately, the confluence of the two made me happy.

Indeed, there’s a visceral joy that seeps out of the cracks in the world when something truly absurd or beautifully post-ironic happens. In some ways it feels like the grace of God, that the universe is yawning open to reveal something magical about itself, something surprising and new and hilarious and wondrous, all at the same time.  For me, the critical realization here is that the supposed schism in enjoyment between irony and legitimacy is not entirely clear. So often there seems to be much pleasure available solely in the universe of post-irony (such as girlfriends wearing silly hats) that the legitimate world nor the purely ironic world could never even approach.

Life is far more fascinating when approached with a scent of post-irony in the air. And it seems that there is something poetic about living right in the gray zone between absurdity and legitimacy, toying with the edge like it was some malleable thing that could, one day, unlock the secrets of the universe for anyone who cares to look for the truth.

I’ll look forward to hearing back from you soon.

Cheers,
-Matt