Smells like Postirony – Lenas Satellit

Beim Eurovision Song Contest (der für mich immer noch „Grand Prix“ heisst) hat das Gute gesiegt. Das Gute kommt ausgerechnet aus Hannover, der niedersächsischen Landeshauptstadt, die gemeinhin als unprätentiös, langweilig und hoffnungslos provinziell verschrien ist (zu Recht übrigens, und dieses Image wird von den Hannoveranern durchaus liebevoll gepflegt). Und dass das Gute Lena Meyer-Landrut heisst, ist für die „Zeit“ auch kein Zufall: Das riecht nach deutscher Bodenständigkeit.
Die Wörter, die in den Medien im Zusammenhang mit Lena immer wieder fallen sind Authentizität und Natürlichkeit. Ungekünstelt sei sie, frisch, unverdorben, selbstironisch, einfach lovely. Wie einstmals die letzte deutsche Grand-Prix-Gewinnerin Nicole sang: „Ich bin nur ein Mädchen, das sagt, was es fühlt.“
Keine Opernstimme, keine grosse Bühnenshow, keine aufwändigen Kostüme, kein Chichi. Just Love.

Produziert und promoted wurde Lena ausgerechnet von Oberzyniker Stefan Raab („Maschendrahtzaun“), der in den letzten Jahren immer wieder mit ironisischen Persiflage-Auftritten (Gildo Horn, oder „Waddehaddeduddeda“ ) aufgefallen war, um das bierernste Image der Contests aufzubrechen und das biedere Schlagerpublikum zu provozieren. Und er beweist auch diesmal offensichtlich ein exzellentes Näschen für den Zeitgeist. Schon letztes Jahr hatte ja so ein postironisch/selbstironischer Titel gewonnen  ein Märchen: die Sehnsucht nach der unschuldigen ersten Liebe.

Geradezu gegensätzliche Reaktionen löste vor nicht allzu langer Zeit ein anderes deutsches Mädel aus, dass es ganz nach oben schaffte: Helene Hegemann, deren Buch „Axolotl Roadkill“ so wahnsinnig hochgehyped wurde. Und anschliessend von den älteren Herrschaften aus den Feuilletons hingerichtet, eben weil man ihr mangelnde Authentizität vorwarf. (Ich möchte die entsprechenden Herren und Damen dringend bitten, doch mal ganz tief in ihren eigenen Schubladen graben, was sie mit 17 für literarische Ergüsse verfertigt haben.)

Darüber, wie authentisch Lena wirklich ist, und wo genau die Grenze zwischen inszenierter Authentizität und authentischer Authentizität im Bühnengewerbe und der Medienwirklichkeit unserer Zeit liegt, liesse sich wohl trefflich streiten (gerne auch hier im Blog). Aber die Art und Weise, wie Lena praktisch europaweit auf offene Ohren bei Publikum, Jurys und Medien stösst, zeigt in meinen Augen einen mächtigen Überdruss am kommerziell-medialen, auf Äusserlichkeiten fokussierten, kalkuliert vorproduzierten Abziehbild und eine ganz grosse Sehnsucht nach einer neuen Lenahaftigkeit.

Und was ist dann Postironie?

Wir leben in einer Kultur der Fragmentierung und der Copy-and-Paste-Identitäten, der medialen Vermittlung und massenhaften Reproduzierbarkeit von einfach allem. Alles ist nur noch Zitat eines Zitats. Wir müssen uns selber zu einer Marke und Ware machen und unsere Haut zu freiem Markte tragen und wehe dem, der sich nicht rechnet.

Es scheint, uns ist die Eigentlichkeit verloren gegangen.
Wir können uns nicht mehr authentisch zu irgend etwas verhalten, weil wir, entfremdet vom direkten Erleben, diesen ganzen medienkulturellen Rattenschwanz immer schon mitzudenken. Ich glaube, wir spüren diese Entfremdung von der Eigentlichkeit und antworten darauf durch die sprachliche Entfremdung: durch die uneigentliche Rede der Ironie.

Wir sind umzingelt von „Erlebniswelten“, „Einkaufsparadiesen“, „Spassfaktoren“, „Sensationen“ und „Megaevents“, die uns Konsumenten Gefühle, die jetzt Emotionen heissen, versprechen und Sinnleere verkaufen. (Wie viele Dinge siehst du jetzt gerade um dich herum und an dir, die keine beliebig reproduzierbare Massenware sind?)
Wir finden einen Sonnenuntergang kitschig, weil er aussieht wie auf einer Postkarte. Wir haben alle eine Meinung darüber, wer Schuld hat an der Finanzkrise, aber was wissen wir eigentlich wirklich darüber, das wir nicht durch bestimmte Medien gefiltert und gefärbt erfahren haben? Haben wir irgendeine Chance, die Informationen überhaupt zu überprüfen? Und wie nah ist uns der Nahe Osten wirklich? Haben wir auch nur einen Schimmer davon, wie es sich anfühlt, da zu leben?

Und wer bestimmt eigentlich das, was wir zu wissen glauben?
Die eine unanzweifelbare Wahrheit gibt es nicht mehr, weil es die eine unanzweifelbare Autorität nicht mehr gibt: Gott ist tot, das Land demokratisch, die Ethnien und Kulturebenen gemischt und das Individuum seit Freud und der neueren Hirnforschung nicht mehr Herr seiner selbst.
Wer mag da noch Richter sein darüber, was wahr ist und was falsch, was schön und was hässlich, was gut und was böse, wofür man ins Gefängnis kommt und wofür in den Himmel?

Mit anderen Worten: Wer bestimmt unsere Werte?
Die Gesetze, die Kirche, die Eltern, die Bildungseinrichtungen, die Medien, die Werbung, die Philosophen, die Politiker, die Banker? Wer hat die Macht und das Geld, seine Wahrheit als allgemeingültig durchzusetzen?
Und welche Zwecke verfolgen die damit?

1. In Alex Shakars Roman „The Savage Girl“ wird das Konzept der Postironie so hergeleitet:
Früher, als noch klar war, was Wahrheit ist und was Lüge, konnte man entweder direkt das sagen, was man meint oder man konnte ironisch sein.
Aber diese Wahrheit gibt es nicht mehr, es gibt nur noch Diskurse.
Wenn die Wahrheit so relativ geworden ist, dass alles gleichwahr oder gleichfalsch ist, dann kann man auch nicht mehr unterscheiden, was ironisch gemeint ist und was ernst. Wir sind also post-ironisch.

Mehr Freiheit bedeutet auch: mehr Ungewissheit. Wenn es keine Sicherheit durch eine unhinterfragbare Wahrheit und einen vorgegebenen Sinn mehr gibt, schafft das Ängste. Und gegen Ängste hilft das Gefühl, das Chaos durch irgendeine Art von Kontrolle beeinflussen zu können, auch wenn es nur eine Illusion ist. Das funktioniert sogar, wenn man sich bewusst ist, dass es nur eine Illusion ist: Der Glaube an eine persönlich verantwortliche höhere Macht oder ein vorbestimmtes Schicksal, der Glaube an den Staat oder die Statistik, der Glaube an Experten, Finanz-Rating-Agenturen oder Horoskope, an Heilige oder Maskottchen, Rituale, Zwangshandlungen, Wahnvorstellungen.

Wer die Ängste und Sehnsüchte  (fears and desires) der Menschen instrumentalisieren kann, so Shakars These, der hat die Macht über sie und kann sie manipulieren und für seine Zwecke missbrauchen.
Das ist natürlich ein höchst zynischer Ansatz.
(Die Konsequenzen dieses Verständnisses des Konzepts Postironie werden im Roman an verschiedenen Figuren durchgespielt.)

2. „If you say one thing and you mean nothing.“ Das wäre das, was ich den Total-Bullshit-Ansatz nennen würde.
Kritikpunkt: Nihilismus macht politisch handlungsunfähig. Mit einem Ansatz, der jede Sinnhaftigkeit ausschliesst und damit auch die ökonomischen und machtpolitischen Entstehungsbedingungen der Diskurse ausblendet, lassen sich diese weder kritisch durchleuchten noch gar verändern.
Menschen brauchen aber, um leben zu können, wenn nicht natur- oder gottgegebene, dann aber doch kulturell entstandene und tradierte, also intersubjektive Werte- und Sinnsysteme.

3. Postironie als Anti-Ironie: Genau das sagen, was man meint.
Das wäre eine Gegenbewegung, die diese intersubjektiven Werte- und Sinnsysteme zu rehabilitieren versucht. Es ist eben nicht wurscht, was wir als richtig oder falsch ansehen. Unser Weltbild bestimmt, welche Entscheidungen wir treffen, wie wir in der Welt handeln. Und unser Handeln hat Konsequenzen. Deshalb haben wir die Verantwortung für die Wirkung unseres Handelns. In diesem Sinne, und ich glaube, das ist der Sinn, den Com&Com im Sinn haben, ist Postironie eine durchaus moralische Angelegenheit, die weit über die ästhetische Ebene hinaus und direkt in die Intimsphäre der persönlichen Lebensüberzeugungen hineingeht.

Mit einer Sehnsucht nach Echtheit, Ganzheit, Unmittelbarkeit, Natürlichkeit. Wahrheit. (Anstelle von „Wahrheit“ würde ich allerdings wirklich den Begriff „Wahrhaftigkeit“ oder „Aufrichtigkeit“ vorziehen, weil die „Wahrheit“ ein Maulesel ist, der sich noch vor jeden Karren hat spannen lassen.), neue Communities, neue Mythen, eine Öffnung für neue ernsthafte Wertediskussionen.
Das Ziel wäre wohl eine neugefundene Identität mit sich selbst. Keine naive mehr, sondern nunmehr eine bewusste.
Und sie sind damit beileibe nicht die Ersten. Und ganz sicher nicht die einzigen.

’68 – ’89 – 2009?
Man könnte sogar den Eindruck gewinnen, dass es alle 20 Jahre eine Krise gibt, die eine Sehnsucht nach einer neuen Geisteshaltung ins Rollen bringt.

– 1968: Vietnamkrieg, Wirtschaftskrise, Wertekrise  -> Studentenproteste, Absage an autoritäre und repressive Strukturen, sexuelle Revolution, Summer of Love, Woodstock, parallel mit neuen Medien, neuer Musik, neuer Mode, neuen Drogen.

– 1989: in Russland: Glasnost (Transparenz) und Perestroika (Neugestaltung) -> Kollaps des Kommunismus im Osten Europas, Demonstrationen gegen die Diktatur in der DDR, die zum Mauerfall und zum Ende der DDR  führen. Im selben Sommer in Westberlin: die erste Loveparade als Demonstration für und von Lebensfreude, Frieden, Liebe, Gemeinschaft und Respekt (PLUR). Raving Society, Entwicklung und Demokratisierung neuer Medien, Beginn der digitalen Vernetzungskultur.

– 2008/9: Lehman-Pleite -> Finanzkrise -> Wirtschaftskrise -> Kritik am globalen Kapitalismus. Unsichere Jobs, gesellschaftliche Umbrüche. Werte-Diskussion: Infragestellung unserer konsumorientierten Lebensweise, Neubewertung der kriegerischen Reaktionen auf den Elftenseptember. Obama. Change. Digital social Networks, Web 2.0, Piraten-Partei, LOHAS, LOVOS;…
(So ein 3-Generationen-Gespräch zum Thema fände ich interessant!)

Es wäre also gut möglich (und sehr begrüssenswert!), wenn auch diese Krise eine neue Kultur hervorbringen würde. Wie genau die aussehen wird ist schwer vorauszusagen. Aber das haben die 100 Leute, die vor 20 Jahren hinter einem Lastwagen mit Bummbumm-Musik durch Berlin hopsten, sicher auch nicht geahnt.

Diejenigen, die derzeit die Macht und das Geld hätten, um das System zu ändern, haben naturgemäss kein Interesse daran, ein System zu ändern, das ihnen Macht und Geld schenkt.
Sie werden sich zu wehren wissen.
Um jeden Preis.
Und mit allen Mitteln.

Ringvorlesung und Party: Hamburg 7.7.09

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Im Rahmen der Ringvorlesung „Medien & Bildung“ an der Universität Hamburg: BEAUTY IS THE NEW PUNK. Kontrolle und Kontrollverlust im Zeitalter der Postironie. Performativer Vortrag mit Com&Com/Johannes M. Hedinger (Zürich) und Theresa Rieß (Kassel).

Dienstag, 07.07.09
18:15 – 19.45 Uhr, Von-Melle-Park 8, Raum 504, Hamburg

Anschließend: POSTIRONISCHE PARTY
ab 21:00 Uhr, Astra-Stube, Max-Brauer-Allee 200, Hamburg

Was ist Postironie? – (Definitionsversuch)

Eine der wenigen Tatsache von universaler (ethischen) Bedeutung in der aktuellen Welt ist die allgegenwärtig wachsende Einsicht, dass es so nicht wirklich weitergehen kann. Was kommt nach der globalen Krise, dem Zusammenbruch der alten Weltanschauung und dem einhergehenden kulturellen Wandel?
Wie viele suchen wir nach Alternativen, nach einer neuen Sprache und neuen Bilder.

Wir verstehen Postironie als Übungsfeld und Entwurf für eine Welt, in der sich eine neue vereinte globale Kultur und ein weltoffenes Stammessystem zu formieren beginnt, in der Gattungen gemischt und Ordnungen durchbrochen werden.

Postironie steht für:
– Wandel und Hoffnung auf eine bessere Welt, die weitgehend frei von Sarkasmus und Zynismus ist.
– Emotionalität und Mut zum Pathos und grossen Gefühlen.
– Authentizität, Direktheit und Nähe.
– ein Comeback des Realen, des Einfachen und den Zauber des Alltags.
– die Feier des Lebens, die Schönheit, die Liebe und die Wahrheit.
– ganzheitliche, emotionale wie spirituelle Nachhaltigkeit und Verantwortung.
– das Selbsterschaffen von Leben und Gemeinschaften im Namen der Selbstdarstellung, der Kollaboration und Partizipation.
– völlige Vorstellungs- und Gestaltungsfreiheit.

überlegungen zum manifest

grundsätzlich denke ich, dass kunst ohne ironie nicht auskommt. ironie bedeutet für mich persönlich distanz, aber eine virtuose distanz. ironie resultiert aus erkenntnis und der erkenntnis geht voraus, dass man etwas erfahren hat, dass die eigene menschliche existenz berührt, bewegt oder erschüttert hat, folglich eine undistanzierte erfahrung, die nachvollzogen werden will, damit man sie versteht, damit man sie auch einem betrachter verständlich machen kann. ironie ist eine methode mit der man mehrdeutigkeit möglich macht. jenseits der ironie gibt es keine bewegung, keinen austausch. das kommt einer art von regression gleich. wo dann das sinnvolle in der kunst bleibt? aber das ist auch nur meine meinung.
wenn ironie allerdings nicht mehr als gabe, sondern als fluch aufgefasst wird, wenn ironie zur lebensform wird, dann ist man wohl von allem und jedem weit weg und isoliert.
ein manifest wird aus einer not heraus verfasst. denke ich zumindest. das hier ist ja auch offensichtlich das erste von weiteren manifesti, die noch folgen werden. ich bin gespannt, was das wird. wir müssen ja alle schauen, wie wir durch die nacht kommen. so denke ich gerade.
klar ist natürlich auch, das jenseits von not etc. der gegenwärtige trend natürlich in richtung reue, mea culpa, was ist wesentlich und diese dinge geht. vielleicht ist das ja auch für euch, die ihr darauf gezwungen seid, trends zu erkennen und zu bedienen, wesentlich.
schön wäre es allerdings, wenn postirony die möglichkeit eröffnen würde, selber trends zu generieren, einfach die themen zu verfolgen, die euch interessieren, statt ewig erwartungen seitens der rezipienten entsprechen zu müssen. ich kann mir vorstellen, dass das lästig werden kann, immer spotten, provozieren oder brilliant zu müssen. daraus entsteht bestimmt ein gefühl von festgelegtsein und darunter leidet natürlich die künstlerische freiheit.
auch kann ich mir vorstellen, dass sowohl die kunstproduktion, wie auch die präsentation bei weitem nicht den grad an befriedigung erfährt, den sie haben könnte, müsste man nicht ständig so sein, wie die öffentlichkeit einen haben will.
ich bin folglich gespannt, was das für neue kunstprojekte sein werden, die im zeichen der postironie stehen. meinen ironischen blick darauf kann ich mir wahrscheinlich nicht sparen. ich glaube aber nicht, dass mich dieser blick behindert oder einschränkt. wie bereits gesagt empfinde ich ironie als eine methode bestimmte dinge, wie kunst z.b. für mich zu dechiffrieren. ausserdem ist ironie nie feindselig oder bitter. das wäre dann eher sarcasm oder gar cynicism.

the postironic times (by Lee Konstantinou)

Zwischen 2005-2008 hat ein Englischstudent an der Stanford Uni (USA, SF) für seine Doktorarbeit einen Blog zum Thema „Postironische  Zeiten“ geführt. Und so startete er am 6.5.2005:

„So what’s the topic of my dissertation? I haven’t had my colloquium yet (that’s going to be in the fall), but I am narrowing in on „post-irony“ as a concept that might be particularly fruitful to explore. Since the early 1990s, and at an accelerated pace since 9/11, there have been a range of artistic efforts–from the Freedom Tower going up on Ground Zero to Chris Ware’s Jimmy Corrigan to Dave Eggers’s A Heartbreaking Work of Staggering Genius to Wes Anderson’s various movies to the many many brilliant episodes of This American Life--to reformulate the moral logic of earnestness in an ironic world. The artists engaged in this effort appreciate what irony (as a tool of cultural criticism and as a means of resisting the dominant culture) has let us do since the heyday of the counterculture, but they also desperately want to push beyond irony, and the negative critical methods of the counterculture, towards something else. Towards something postive, affirmative, or (at the very least) real. Put differently, all these artists are struggling to find a way, through art, to express deeply felt, often unbearable, emotions without seeming trite, cliched, or mainstream; yet they all seem somehow forced to use highly ironized and self-conscious means of doing so. The results are often odd but (almost) always interesting.“

Alex Shakar: Savage Girl / Der letzte Schrei


Shakar: Savage Girl
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Ein wichtiger Inputgeber für das postironische Manifest war „Savage Girl“ (dt Titel: „Der letzte Schrei“) von Alex Shakar.  Homepage Alex Shakar
„Shakar’s clever and provocative debut novel is something of a genre-bender. What’s best about this entertaining novel is the feast of ideas. Has too much irony been emitted into the earth’s atmosphere? Is glamour a zero-sum game? Is there a paradoxical essence at the heart of every product? Who knows. But Shakar makes it fun to contemplate…The ultra-gloss anxieties of your urbanites are on fetching display in this clever debut.“ –Publisher’s Weekly

Worum es geht: Nachdem ihre Schwester einen spektakulären Selbstmordversuch begangen hat, fasst Ursula Van Urden den Entschluss, sich mehr um sie zu kümmern. Ivy arbeitete als Model in einer futuristischen Großstadt am Fuße eines aschespeienden Vulkans. Auch Ursula zieht nach Middle City und heftet sich Ivys Ex-Freund an die Fersen, der eine Trendscout-Agentur leitet. Unversehens hat sie selbst einen Job bei Tomorrow Limited. Ursulas Aufgabe ist Chas‘ knappe Anweisung: „Geh raus. Finde die Zukunft. Bring sie mir.“ Und so taucht Ursula tief ein in die Welt der totalen Kommerzialisierung. Während Ivy sich zunehmend in geistiger Verwirrung verliert, stößt ihre Schwester auf Hurricane, ein steinzeitlich anmutendes Geschöpf, das auf der Straße lebt. Ursula wittert den ultimativen Trend, und Ivy soll das neue barbarische Rollenvorbild in der Öffentlichkeit verkörpern. Aber der große Medienhype läuft aus dem Ruder und hat fatale Konsequenzen.

INHALTLICHE KERNGEDANKEN
(Zusammenstellung: A. Hostetter)

Paradessenz
paradox + Essenz = Paradessenz
Jedes verkaufsträchtige Produkt besitzt eine „gebrochene Seele“ und hegt das Versprechen in sich, zwei paradoxe Dinge zu vereinen, wonach der Konsument sich sehnt. Paradessenz bezeichnet diese zwiespältigen Eigenschaften eines Produktes. Die Erkenntnis der Paradessenz hilft sowohl bei der Vermarktung von Produkten, als auch bei der Erkennung von Trends. Die Aufgabe der Trendscouts ist es den zwiespältigen Kern jedes Produktes herauszustreichen und den Bruch marktgerecht zu präparieren. Beispiele von Paradessenzen:
Kaffee = Anregung + Entspannung
Eiskreme = Eros + Unschuld

Postironie
Das aktuelle Trendbuch der Trendagentur verkündet den den Anfang einer neuen Ära, der Ära der Postironie. Um diese verständlich zu machen, werden verschiedene Phasen der Konsumgesllschaft erklärt:
Die präironische Phase: Ab den 50er Jahren arbeitet die Werbung mit Sinnbildern von Gesellschafttsidealen und Sehnsüchten. Um den Verkauf zu steigern, werden Produkte übertrieben positiv dargestellt oder mythisch aufgeladen. Allmählich empfinden die Konsumenten Werbung als Mechanismus, um Trugbilder zu erschaffen und künstliche Bedürfnisse zu erzeugen. Übersteigerung von A, B, C = Kauf von A, B, C
Die ironische Phase: Viele Konsumenten entwickeln eine kritische Haltung gegenüber Werbung und distanzieren sich von ihr mithilfe ironischer Kommentare. Die Werbebranche reagiert auf den Wandel der Konsumenten, indem sie deren kritische Haltung gegenüber Konsum einnimmt. Die ironische Werbekampagne macht sich über die leeren Versprechen bisheriger Werbung lustig, um ihr eigenes Produkt zu vermarkten. Kritik an A, B, C = Kauf von D, E, F
Die postironische Phase: Um die jungen Konsumenten noch erreichen zu können, muss die Ironie immer dicker aufgetragen und bösartiger werden. Zynismus und (ironische) Kritik ist so allgegenwärtig geworden, dass sich nicht mehr feststellen lässt, was nun ernst gemeint ist und was nicht. Die Grenzen verflüssigen sich. „Unsere Kultur ist dermassen durchdrungen von ironischen Zweifeln, dass sie beginnt ihr Verfahren des Zweifelns anzuzweifeln.“ Kritik an A, B, C = Kauf von A, B, C

FAZIT:
Postironie = ironischer Ernst
Die Paradessenz von Postironie = 
Schizophrenie
Schizophrenie = der neue Megatrend schlechthin

Zur Idee der Postironie

Die Finanzkrise war nur der Sargnagel: nach dem Jahrzehnt der Dekadenz (Sloterdijk) ist die Wiederentdeckung des Einfachen und das Comeback des Realen nicht mehr von der Hand zu weisen. Nachhaltigkeit und Social Responsability sollen keine leeren Worthüllen mehr sein. Emotionalität, Authentizität und Wahrheit heissen die neuen Leitsterne.

In aller Ernsthaftigkeit wird zudem ein neuer romantischer Geist wiederbelebt, die Sehnsucht nach dem Schönen. Die Menschen haben wieder Hoffnung, glauben an die Zukunft und träumen von einer Utopie 2.0 – und die ist frei von Ironie und Sarkasmus.

Com&Com, einst selbst durch ironische Zitatwerke bekannt geworden, riefen für 2009 das Jahr der Postironie aus. Am Anfang steht programmatisch das postironische Manifest:

1. Wir leben im postironischen Zeitalter. Ironischer Zweifel ist nur noch zur Lebensart erhobene Unzufriedenheit.
2. Wir beginnen das Verfahren des Zweifelns anzuzweifeln.
3. Die Wahrheit ist nicht länger unbedingt, sondern vorübergehend, wie es dem augenblicklichen Zweck gerade dienlich ist.
4. Die Welt ist mehr als sie ist.
5. Das Alltägliche dient als Versuchsgelände für den menschlichen Geist.
6. Alles ist erfüllt von Zauber und Schönheit.
7. Schönheit kann uns dazu anregen, bessere Menschen zu werden.
8. Aus Schönheit kann Liebe erwachsen.
9. Aus der Liebe folgt Wahrheit.
10. Wir stehen an der Schwelle zu einer wunderbaren Sache: vor der Wiedergeburt unserer Selbsterschaffung. Postironie meint völlige Vorstellungs- und Gestaltungsfreiheit.