Erklärungsversuche zur postironischen Kunst

Erklärungsversuche der postironischen Kunst in den Medien anlässlich der Ausstellung im Museum Morsbroich:

aus der Kritik des Art-Magazins: „Am Titel der Ausstellung lässt sich der ehrgeizige, ja geradezu offen unbescheidene Anspruch der Schau ablesen: Gemeinsam mit seiner Ko-Kuratorin Stefanie Kreuzer ruft Heinzelmann nicht nur ein „Neues Rheinland“, sondern gleich eine neue, weil postironische Generation aus. Sie setzt sich bewusst vom spielerisch-distanzierten Gestus ihrer Vorgänger ab, die sich mittels der Ironie von den oftmals hochtrabenden Erlösungsfantasien der klassischen Moderne befreite – man denke nur an Sigmar Polkes Bildtitel „Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen!“. Die „postironische Generation“ versucht nun, hinter beide Positionen zurückzugehen, indem sie zu „vergessenen“ oder bestenfalls belächelten Medien wie Keramik, Holzdruck und Scherenschnitt greift und sich auf „häusliche“ Themen wie die Kindheit konzentriert. Alexandra Bircken zeigt einen Quilt, Jan Albers verlegt Rohre und bastelt an Collagen, die ihre Baumarkt-Herkunft gar nicht erst verleugnen, Ulrike Möschel hängt eine weiße Schaukel als Symbol der behüteten Kindheit am „seidenen“ Faden auf. Während die Welt gerade Kapriolen schlägt, dominieren Heim und Handwerk die Kunst: Das klingt beinahe nach der guten alten Biedermeierzeit.
Die Inszenierung des Privaten und die Sehnsucht nach Sicherheit und Harmonie sind zwei Grundmotive des „Neuen Rheinlands“. Doch so wie das originale Biedermeier weit mehr war als die Flucht in die Innerlichkeit, zeichnet auch die „postironische Generation“ ein gebrochenes Verhältnis zum Rückzug in die eigenen vier Wände aus.“ (MICHAEL KOHLER)

aus der Kritik des Kölner: „Diese Künstler verfolgen eine andere künstlerische Haltung als die „Zeitgeist“-Generation, die mit ihrer wilden Malerei die Kölner Szene in den 1980er Jahren prägte. Damals waren nämlich eine recht unbekümmerte, oft sogar dilettierende Malweise und ein ironischer Blick auf die Welt typisch. Die heutige Generation hingegen geht mit größerer Ernsthaftigkeit ans Werk und lässt eine ganz andere Sicht auf ihre Zeit erkennen. Soziale und urbane Aspekte werden viel sensibler behandelt als in der lustig-bunten Malerei der 1980er und als in der didaktisch-spröden Installationskunst der 1990er Jahre. Zynismus und intellektuelle Überfrachtung findet man in den Bildern der „postironischen Generation“ jedenfalls nicht mehr. Auch die formale Arbeitsweise ist in der aktuellen Kunst präziser und handwerklich weitaus akurater.“ J-R.

aus der Kritik in Europe.online: (…) Mit insgesamt 30 Positionen entwirft sie das Panorama einer Generation, die nach den bereits historischen Strömungen des Rheinlandes – von der ZERO-Kunst bis zu den nachmodernen Protagonisten der 1980er Jahre – erneut von einem gemeinsamen Interesse an spezifischen Themen geleitet ist: Aus der Ablehnung einer distanzierten, ironischen Haltung, wie sie seit den 1980er Jahren sowohl den gesellschaftlichen als auch den kunstimmanenten Diskurs geprägt hat, hat sich eine neue Hinwendung zu Ernsthaftigkeit, Engagement und Humor entwickelt. (…) Gewandelte thematische Ansätze wie die Orientierung am Menschen, an seiner Körperlichkeit sowie an seinen Utopien bestimmen die künstlerischen Fragestellungen unserer Tage. In diesem Zusammenhang erproben die Postironiker traditionelle Methoden auf eine neue Weise: Sie konzentrieren sich auf randständige Medien wie Keramiken, Holzdrucke oder Scherenschnitte und suchen eine unverstellte, bisweilen betont handwerkliche Auseinandersetzung mit dem Material, seinen Eigenschaften und Qualitäten sowie seinen metaphorischen Dimensionen.  (Prof. Manfred Dinnes)

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Plädoyer gegen herkömmliche Ironie: DAS ERBE DES LACHENS (TEIL 2)

von Jörg Heiser und Sarah Khan, 8.5.2010, first published on artnet

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Beispiel 3 – Goethe
Martin Kippenberger benannte ein paar Mal Arbeiten nach Goethe: z.B. eine Serie handgeknüpfter „Klovorleger Goethestadt“ (1990) – gemeint war Frankfurt, wo Kippenberger Anfang der Neunziger eine Gastprofessur an der Städelschule innehatte. Kippenberger sei kein großer Leser gewesen, ist glaubhaft zu erfahren, aber seine familiäre Herkunft und seine Instinkte für Künstlerposen und Gesten müssen ihm vermittelt haben, dass Goethe ein deutscher Champ ist, in dessen Schatten kaum Gras wächst. Dass Harald Falckenberg die Formulierung „Goethe abwärts“ für eine von Kippenberger inspirierte Sammlungsschau wählte, hätte dem Künstler gefallen. Sie kommt genau aus dem Arsenal deutscher Schuld und Traumata, aus dem sich Kippenberger oft und mit der Zielsicherheit eins blinden Sehers bediente: Der Wiener Schriftsteller und Professor Hermann Hakel, 1911 als Jude in Wien geboren, Überlebender der nationalsozialistischen Judenvernichtung, holte diesen Begriff in der Nachkriegszeit aus der Vergessenheit zurück, indem er den Essayband „Von Goethe abwärts“ von Anton Kuh wieder herausgab. „Plädoyer gegen herkömmliche Ironie: DAS ERBE DES LACHENS (TEIL 2)“ weiterlesen

Plädoyer gegen herkömmliche Ironie: DAS ERBE DES LACHENS (TEIL 1)

von Jörg Heiser und Sarah Khan, 8.5.2010, first published on artnet

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Falls es stimmt und die Deutschen vielleicht wirklich keinen ausgeprägten Humor haben, dann haben sie doch eines ganz bestimmt: Humorprobleme. Eine möglichst selbstquälerische Beschäftigung mit Ironie ist eines dieser typischen Humorprobleme. Man muss hier also sofort die deutsche Problemfahne aufpflanzen, stellt dann aber fest: Umberto Eco war schon vorher da, zumindest hat er schon in den 1980ern ein Buch mit dem Titel „Lüge und Ironie“ veröffentlicht. Was es damit auf sich hat, bleibt noch zu prüfen. Die deutsche Fahne kann aber auf jeden Fall schon mal im Tornister bleiben. Humor als Nationalsport aufzufassen – wer hat den besseren – führt vor allem dazu, Defizite zu beschwören.

Beschwören wir also das Defizit: Monty Python waren natürlich schon so was von vorher da. Es gibt einen Sketch, in dem Ironie nicht nur ein Problem ist, sondern „Plädoyer gegen herkömmliche Ironie: DAS ERBE DES LACHENS (TEIL 1)“ weiterlesen

Plädoyer gegen herkömmliche Ironie: DIE JAGD NACH DEM EIGENEN SCHATTEN

von Carsten Probst, 23.4.2010, first published on artnet

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Dieses Problem allerdings ist nicht ihre einzige Schwierigkeit. Tatsächlich funktionieren offene Kalauer oder Witze ganz anders als die Ironie des Deadpan. Witze kündigen Konflikte an, um sie dann im Gelächter zu umgehen. Die in der Erwartung des Konflikts entstandene Anspannung entlädt sich als Freude über den am Ende doch nicht stattfindenden Konflikt oder, freudianisch, als Lustgewinn durch ersparten Energieaufwand. Insofern kann der Witz zwar kritische Haltungen äußern, aber seine Ambivalenz und damit seine Dynamik endet mit der Pointe. Die Ironie als rein dialektisierendes Stilmittel funktioniert ähnlich. Zu Zeiten autoritärer Unterdrückung und entsprechend polarisierter Opposition haben beide eine wichtige Funktion, als oft einzige verfügbare Mittel, oppositionelle Inhalte zu äußern. Die Witzigkeit hängt dann weniger von der humortechnischen Qualität ab, als davon wie „unsagbar“ die implizierten Äußerungen sind. Aber das ist in der Hochkunst gegenwärtig nicht das Problem. In unserer permissiven und zynisch geschulten Kultur ist nahezu alles sagbar. Wenn man Komik weiterhin satirisch einsetzt, spielt man damit einer überkommenen Vorstellung schlichter Entweder-Oder-Opposition in die Hände, die einem notwendigen intersubjektiven Verständnis der Konflikte nicht gerecht wird. „Plädoyer gegen herkömmliche Ironie: DIE JAGD NACH DEM EIGENEN SCHATTEN“ weiterlesen

Plädoyer gegen herkömmliche Ironie: DEADPAN 2.0

von Olav Westphalen, 23.4.2010, first published on artnet

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Wer das Missbehagen an der Ironie verstehen will, muss begreifen, warum der Kultur die Komik so abgrundtief verdächtig ist. Charles Baudelaire beklagte sich in seinem Essay „Das Wesen des Lachens“ darüber, daß die Karikatur – und man kann dies getrost auf komische Formen im allgemeinen ausweiten – von seinen Zeitgenossen nicht als Kunst annerkannt wurde. Das ist nun über 150 Jahre her. Trotzdem hatte sich daran bis vor kurzem nicht viel geändert. Komik und Ironie waren der Kunstkritik und dem Publikum suspekt und wurden in der Regel nur dann toleriert, wenn deren Verstöße gegen den Sinn – oder um es auf Linguistisch zu sagen: ihr subversiver Widerstand gegen die Übereinstimmung von Signifikat und Signifikant, gegen die Deckungsgleichheit von Bedeutung und Bedeutetem also – ordentlich begründet und abgegrenzt wurden. Nur als lokal begrenzte Kunstgriffe im Rahmen eines höheren, rational begründeten Zusammenhangs kann das Kunstpublikum Komik und Ironie ertragen. Dann also, wenn die Sinnverwischung eingezäunt wird und einer guten Sache dient. Humor als Ultima Ratio.

Der Grund dafür ist der Legitimationsbedarf der Kunst, die selber als unsichere Kantonistin verdächtig ist. Die Hochkunst stützt sich um ihrer eigenen Sicherheit willen auf eine sonore Aura der Ernsthaftigkeit, um ihre gesellschaftliche Sonderstellung zu rechtfertigen. Künstler, die lustige Ideen hatten, hielten es in der Regel für nötig, diese in einem Ton „Plädoyer gegen herkömmliche Ironie: DEADPAN 2.0“ weiterlesen