Authentizität 2.0

schöne Verschränkung von Generation C + Postironie:
Chris Milk’s Musicclip für Arcade Fire! Gib deine Adresse ein und wird Teil. la réalité dépasse la fiction..

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http://www.thewildernessdowntown.com/

Smells like Postirony – Lenas Satellit

Beim Eurovision Song Contest (der für mich immer noch „Grand Prix“ heisst) hat das Gute gesiegt. Das Gute kommt ausgerechnet aus Hannover, der niedersächsischen Landeshauptstadt, die gemeinhin als unprätentiös, langweilig und hoffnungslos provinziell verschrien ist (zu Recht übrigens, und dieses Image wird von den Hannoveranern durchaus liebevoll gepflegt). Und dass das Gute Lena Meyer-Landrut heisst, ist für die „Zeit“ auch kein Zufall: Das riecht nach deutscher Bodenständigkeit.
Die Wörter, die in den Medien im Zusammenhang mit Lena immer wieder fallen sind Authentizität und Natürlichkeit. Ungekünstelt sei sie, frisch, unverdorben, selbstironisch, einfach lovely. Wie einstmals die letzte deutsche Grand-Prix-Gewinnerin Nicole sang: „Ich bin nur ein Mädchen, das sagt, was es fühlt.“
Keine Opernstimme, keine grosse Bühnenshow, keine aufwändigen Kostüme, kein Chichi. Just Love.

Produziert und promoted wurde Lena ausgerechnet von Oberzyniker Stefan Raab („Maschendrahtzaun“), der in den letzten Jahren immer wieder mit ironisischen Persiflage-Auftritten (Gildo Horn, oder „Waddehaddeduddeda“ ) aufgefallen war, um das bierernste Image der Contests aufzubrechen und das biedere Schlagerpublikum zu provozieren. Und er beweist auch diesmal offensichtlich ein exzellentes Näschen für den Zeitgeist. Schon letztes Jahr hatte ja so ein postironisch/selbstironischer Titel gewonnen  ein Märchen: die Sehnsucht nach der unschuldigen ersten Liebe.

Geradezu gegensätzliche Reaktionen löste vor nicht allzu langer Zeit ein anderes deutsches Mädel aus, dass es ganz nach oben schaffte: Helene Hegemann, deren Buch „Axolotl Roadkill“ so wahnsinnig hochgehyped wurde. Und anschliessend von den älteren Herrschaften aus den Feuilletons hingerichtet, eben weil man ihr mangelnde Authentizität vorwarf. (Ich möchte die entsprechenden Herren und Damen dringend bitten, doch mal ganz tief in ihren eigenen Schubladen graben, was sie mit 17 für literarische Ergüsse verfertigt haben.)

Darüber, wie authentisch Lena wirklich ist, und wo genau die Grenze zwischen inszenierter Authentizität und authentischer Authentizität im Bühnengewerbe und der Medienwirklichkeit unserer Zeit liegt, liesse sich wohl trefflich streiten (gerne auch hier im Blog). Aber die Art und Weise, wie Lena praktisch europaweit auf offene Ohren bei Publikum, Jurys und Medien stösst, zeigt in meinen Augen einen mächtigen Überdruss am kommerziell-medialen, auf Äusserlichkeiten fokussierten, kalkuliert vorproduzierten Abziehbild und eine ganz grosse Sehnsucht nach einer neuen Lenahaftigkeit.

Final days of LA REALITE DEPASSE LA FICTION

Anlässlich der Finissage der Ausstellung La réalité depasse la fiction, der ersten Retrospektive zum Werk von Com&Com, findet im CentrePasquArt in Biel die Performance „Baum“ statt. Im ersten Live-Auftritt von Com&Com seit rund 10 Jahren erfährt die Skulptur und Natural Ready Made „Baum“ (2010) eine Transformation. Neben dem Künstlerduo Com&Com (Marcus Gossolt/Johannes M. Hedinger) tritt als musikalischer Kollaborateur Mario Marchisella auf sowie die beiden Baumpfleger Reto Gertsch und Nicolas Greusing.

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All I Need (Air, Video by Mike Mills, 1998)

Zum Wochenende ein Oldie von Mike Mills aus dem Jahre 1998. Neben Musicclips für Air, Moby und Yoko Ono hat er  u.a. an der Grafik für die Covers von Beck, Sonic Youh und  Beastie Boys gebastelt. 2005 folgte mit Thumbsucker (mit Lou Pucci, Tilda Swinton und Keanu Reeves) sein Kinodebut. Momentan produziert Mills seine eigene Poster- und Stoffe-Serie „Humans„.

Das Paradox Schönheit

Beauty. Schönheit. Der Zauber des Alltags. Authentizität. Eine bessere Welt. Will man sich mit diesen „postironischen“ Hintergrundthemen auseinandersetzen, so stößt man schnell auf die Ambiguität, die Dialektik  dahinter, welche in der letzten Hälfte des letzten Jahrhunderts zur Inflation der Ironie selber geführt hat.
Denn, mal ganz ehrlich, wer hier kann sagen was Schönheit ist? Versuchen wir mal eine naive, „ehrliche“ Herangehensweise, nur um sie mit Mut vor die Wand zu setzen.

CC by Flickr User manitou 2121
Durchschnitte aus Hot-or-Not Bildern, CC by Flickr User manitou 2121

Angefangen bei menschlicher Schönheit: Unbestreitbar wohl, dass wir schon naturgegeben eine Vorliebe für bestimmte Geischtsformen und Körperformen mitgegeben bekommen, wie viel kulturelle Prägung da auch immer mit enthalten sein mag, die Grundlage dafür liegt schon in unseren Genen. Als Mann, und weil es hier eindeutigere Forschungserkenntnisse und eindeutigere kulturelle Prägungen gibt, betrachte ich mal das „schöne Geschlecht“. Das weibliche Schönheitsideal setzt sich irgendwie aus dem Durchschnitt  zusammen.
Genau das führte dann aber zu dem „All American“ Schönheitswahn, dessen Gegenthese man im Postironischen Manifest und dem Definitionsversuch lesen könnte. Hand aufs Herz, sind Miss Universe und all die Playmates wirklich schön?
Liest man die begeisterten Blogartikel über Menschen wie Antony Hegarty, merkt man: Genau das ist hier nicht gemeint.
Und dies lässt sich weiterspinnen auf jeden irgendwie gearteten künstlerischen Bereich: Mit Schönheit meinen wir wohl kaum das Glatte, Perfekte, Vollendete. Auch wenn das in Ausnahmefällen schön sein kann. Es wird also klar: „Das Wahre, Schöne und Gute“ existiert in dieser Reinform gar nicht. So wie es kein eindeutiges Wahr und Falsch gibt, kein eindeutiges Gut und Böse, gibt es auch kein eindeutiges Schön und Häßlich. Diese Erkenntnis ist die Ursache der Inflation der Ironie.
Aber was meinen wir, was suchen wir dann, wenn hier von Schönheit geschrieben und geredet wird? „Das Paradox Schönheit“ weiterlesen

Nömadak TX

Where the hell ist Matt – is ja ganz schön, aber dieses Projekt (und der darüber gedrehte Film) ist noch viel besser…

Der Klang entsteht aus der Bewegung. Ein wahrer Musiker muss sich bewegen, muss reisen. Dann wird er die neuen Klänge finden. – Nömadak TX erzählt die Geschichte von zwei spanischen Musikern die unterwegs sind. Sie spielen die Txalaparta, ein uraltes, einzigartiges baskisches Instrument, das stets von zwei Personen gespielt wird. Die Reisen führen sie nach Lappland, in die Sahara und die Mongolei, wo sie ihre Txalaparta mit den Klängen entlegener nomadischer Musik verbinden. Sie durchqueren Eis- und Sandwüsten, auf Pferden durch die Berge der Mongolei und mit der Eisenbahn in den Westen Indiens. Sie reisen um fremde Klänge zu suchen, und sie finden sie in allen Teilen der Welt, in eigenartigen Umgebungen und allen Kulturen. Und sie treffen andere Musiker, für die ihre Musik wesentliches Element ihrer Identität ist. Überall.

(zitiert aus Programmheft 3001 Kino Hamburg). Wer mal reinsehen/-hören will: www.nomadaktx.com

Dancing Inmate’s Michael Jackson tribute

sorry, doch noch.. aber bestimmt ironiefrei gemeint. Nur knapp einen Tag nach dem überraschenden Tod des Entertainers hat ein für seine integrativen Choreographietänze bekanntes philipinisches Gefängnis  mit 1500 Insassen eine tänzerisches Tribut an den King of Pop im Gefängnisinnenhof inszeniert.

Virtuelle Autogrammstunde..?

Die unglaublich hervorragende Band Selig – bzw. irgendwelches Managementvolk um sie herum – hat scheinbar einen Weg gefunden Realität und Virtualität miteinander zu vereinen: am 02. Juli wird es eine online Autogrammstunde geben. Zugegeben wird das ganz von eventim gesponsort und ist sicherlich nur ein großer Werbegag. Aber gespannt bin ich dennoch wie diese Idee um gesetzt werden wird.
http://www.selig.eu/2/index.php

bzw.
http://www.eventim.de/cgi-bin/selig-tickets.html?doc=campaign/selig

postironische Musik

Hier ein weiterer Beitrag zur Reihe postironische Musik:
CocoRosie, habe ich letzte Woche im Kampnagel gesehen. Der Eintrittspreis schmerzte zwar ein wenig aber die Darbietung war der Hammer.  Zwei völlig abgefahrene Stimmen von Operettengesang bis trommelfellzerfetzend und ein Klangkonglomerat aus konventionellen Instrumenten über Harfe bis hin zum Einbau von geräuschemachenden Kinderspielzeugen. Dazu eine, vielleicht noch etwas auszufeilende, Bild- und Videopräsentation im Hintergrund.
Den Titel dieses Liedes fand ich passend 😉


cocorosie – Rainbowwarriors